Das Onlinezugangsgesetz (auch: OZG) stellte nicht nur Behörden, sondern auch Landes- und Förderbanken vor große Herausforderungen. Denn die Mindestanforderungen an die Gestaltung eines Onlinezugriffs für hoheitliche Aufgaben definieren auch für bestehende Prozesse und Plattformen zusätzliche Standards. Alle vorhandenen Anträge und Zugänge sind auf Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen zu überprüfen.
1 Ausgangssituation
Im Jahre 2017 war der Gesetzgeber des Bundes mit der Situation konfrontiert, dass die Behörden in Deutschland im internationalen Vergleich nur einen geringen Grad an Digitalisierung aufwiesen und nahezu alle Kontakte zu Behörden persönlich oder zumindest per Brief erfolgen mussten. Viele öffentliche Institutionen waren nicht online verfügbar oder boten nur einen kleinen Teil ihrer Dienstleistungen online an. Im Gegenzug digitalisierte sich die private Wirtschaft immer stärker und die Erwartungen der Bürger:innen gingen mehr und mehr dahin, auch mit Behörden digital kommunizieren zu wollen.
Eine eindeutige Identifikation der einzelnen Bürger:innen als Nutzer:innen der Dienstleistungen und eine rechtsverbindliche Signatur von Dokumenten war nahezu unmöglich. Aufgrund der föderalen Strukturen mit den damit verbunden Zuständigkeiten in den einzelnen Bundesländern und Kommunen und der großen Vielzahl an öffentlichen Institutionen waren die vorhandenen Online-Prozesse sehr unübersichtlich, vielfältig und von sehr unterschiedlicher Qualität. Gleiche Prozesse existierten mehrfach und waren dabei unterschiedlich ausgeprägt. So hatte zum Beispiel jeder Landkreis einen eigenen Prozess zur An- und Ummeldung von KFZ, der unterschiedlich digitalisiert war. Synergie-Effekte wurden kaum genutzt und Erfahrungen zwischen den Institutionen nicht geteilt.
2 Gesetzliche Regelungen
Am 14. August 2017 erlässt der Bund daher das Onlinezugangsgesetz (OZG) und regelt darin den Fahrplan und die Mindeststandards für die Digitalisierung der öffentlichen Institutionen. Er verpflichtet alle Institutionen bis Ende 2022 ihre Dienstleistungen auch online anzubieten. Hierbei soll die Umsetzung möglichst effizient erfolgen. Der Grundsatz „Einer-für-Alle“ stellt dabei sicher, dass Prozesse nur einmal entwickelt und Ressourcen optimal allokiert werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht der Fahrplan verschiedene Kontrollpunkte vor. So veröffentlicht der Bund das Dashboard „Digitale Verwaltung“, das einen Überblick über die Anzahl der digital verfügbaren Leistungen gibt. Mit gleichem Zweck veröffentlicht der Nationale Normenkontrollrat regelmäßig einen Monitor „Digitale Verwaltung“, in dem der aktuelle Stand der Umsetzung wiedergegeben wird und Empfehlungen definiert werden.
Um dieses Ziel ressourcenschonend und in einer hohen Qualität zu erreichen, definiert der Bund im OZG den Mindeststandard für die Anwendungen und Vorgehensmodelle zur Umsetzung dieser Anforderungen.
Das Onlinezugangsgesetz definiert Anforderungen an die Bedienbarkeit der Onlineoberfläche wie Barrierefreiheit und Mindestanforderungen an die Workflows, sowie die Wiederverwendung von Softwarekomponenten. Daneben gibt der Gesetzgeber auch klare Regelungen zur Einheitlichkeit des Zugangs vor. So fordert das OZG für Bürger:innen einen einheitlichen Nutzer, mit dem alle Dienstleistungen aller Institutionen zugänglich gemacht werden sollen und mit dem Bürger:innen eindeutig und rechtsverbindlich identifiziert werden können, sowie einen Portalverbund, sodass alle Portale über eine zentrale Stelle zugänglich sind.
3 Gültigkeitsbereich und Betroffene
Das Gesetz definiert 15 Themenfelder und Lebenslagen/Unternehmenslagen als sein Anwendungsgebiet. Alle öffentlichen Institutionen und im öffentlichen Auftrag tätigen Unternehmen sind zur Einhaltung des OZG verpflichtet, wenn sie eine Dienstleistung aus den 15 Themenfeldern anbieten. Hierzu zählen auch öffentliche Förderbanken im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeiten.
- Arbeit & Ruhestand
- Bauen & Wohnen
- Bildung
- Ein- & Auswanderung
- Engagement & Hobby
- Familie & Kind
- Forschung & Förderung
- Gesundheit
- Kammerleistungen
- Mobilität & Reisen
- Querschnittsleistungen
- Recht & Ordnung
- Steuern & Zoll
- Umwelt
- Unternehmensführung & -entwicklung
Bildquelle: Bundesministerium des Innern und für Heimat
Die Verpflichtung zur Einhaltung ist dabei unabhängig davon, wer die Dienstleistung nutzt. Neben Dienstleistungen an Privatpersonen sind auch Dienstleistungen an Unternehmen, Vereinigungen und Behörden von der Verpflichtung betroffen.
Geregelt ist nicht nur der Zugriff auf Onlineportale, sondern auch die Mindestanforderungen an diese, sowie an die Gestaltung von Formularen. Das Gesetz definiert hingegen keinerlei Anforderungen an die Weiterverarbeitung der Daten und an die Gestaltung und Automatisierung von Prozessen.
4 Termine und Umsetzungsstand
Der Gesetzgeber hat die Behörden in Deutschland verpflichtet, das OZG bis Ende 2022 für alle Themenbereiche umzusetzen und anzuwenden. Durch regelmäßige Monitore wird der aktuelle Bearbeitungsstand überwacht.
Schon heute ist absehbar, dass die fristgerechte Einführung für alle Themenfelder und alle Anforderungen nicht bis Ende 2022 abgeschlossen sein wird.
Insbesondere der einheitliche Nutzer für alle Behörden und alle Anwendungsbereiche birgt für die Behörden große Herausforderungen. Aber auch das gemeinsame Portal als zentraler Zugangspunkt für alle Dienstleistungen stellt die Umsetzungsteams, vor dem Hintergrund der Vielzahl föderaler Systeme und Prozesse, vor große Aufgaben. Gleiche Prozesse können vor dem Hintergrund unterschiedlicher rechtlicher Anforderungen nicht einheitlich umgesetzt werden.
Aus diesen Problemen resultieren bereits heute Forderungen nach Vereinfachungen und Anpassungen. Im Mai 2022 wurde entschieden, 35 Verwaltungsleistungen zu priorisieren, die jeweils von einer Behörde als Vorbild für alle anderen entwickelt werden sollen. Außerdem wurde im Umsetzungsprozess erkannt, dass nur eine noch weitreichendere Vereinheitlichung von Prozessen und Systemen zu erheblichen zusätzlichen Kosteneinsparungen und Beschleunigungseffekten führen kann und dass die Akzeptanz bei Bürger:innen letztlich davon abhängt, dass die digitalen Prozesse einfacher als die analogen Prozesse sind. Für die aktuelle Legislaturperiode hat der Nationale Normenkotrollrat diese Forderungen der Bundesregierung ins Pflichtenheft geschrieben. Ein konkreter Gesetzentwurf für diese Weiterentwicklung steht noch aus.
5 Spezialfall Förderbanken
Förderbanken und andere privatwirtschaftliche Unternehmen im staatlichen Eigentum und mit hoheitlichen Aufgaben nehmen vor dem Hintergrund des OZG eine Zwitterrolle ein. Ein Teil ihrer Geschäfte und Geschäftsprozesse fällt in den Gültigkeitsbereich des OZG ein anderer Teil nicht.
Um auf dieser Basis eine erfolgreiche und kostengünstige Einführung von OZG sicherzustellen, ist eine enge Kooperation mit Partnerinstituten, aber auch mit zentralen Stellen in Behörden und Ministerien erforderlich. Es braucht einen klaren Plan, wie OZG für bestehende Prozesse und neue Prozesse eingeführt werden soll und wie mit Prozessen umgegangen werden kann, die nicht OZG-relevant sind. Zur Schaffung eines klaren Außenbildes für Kund:innen ergibt es sicher Sinn, einen Teil der OZG-Anforderungen auch für nicht relevante Prozesse umzusetzen.
Um die OZG-Konformität sicherzustellen, sollte ein Testkonzept erarbeitet werden, das alle Anforderungen prüft. Dieses Testkonzept kann zunächst im Rahmen der Erstanwendung auf alle OZG-relevanten Prozesse angewandt werden. Später sollen alle neuen oder angepassten Prozesse dieses Testkonzept als Quality Gate durchlaufen. Auf diese Weise wird langfristig die OZG-Konformität der gesamten Prozesslandschaft gewährleistet.