Die Europäische Union (EU) hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und den Klimawandel einzudämmen. Eines ihrer zentralen Instrumente zur Erreichung dieser Ziele ist der Emissionshandel (auch bekannt als Emissions Trading System, kurz EU ETS). In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die Funktionsweise des Emissionshandels, seine Ziele und den aktuellen Stand sowie mögliche Entwicklungen.

Einleitung

Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das sogenannte "Fit for 55"-Maßnahmenpaket entwickelt, das verschiedene Mechanismen zur Emissionsreduktion umfasst. Ein zentrales Element dieses Pakets ist der Emissionshandel.

CO2-Zertifikate: Definition & Funktionsweise

CO2-Zertifikate sind das Herzstück des Emissionshandels. Unternehmen, die CO2 ausstoßen, müssen diese Emissionen durch den Kauf von Zertifikaten kompensieren. Ein Zertifikat entspricht dabei dem Ausstoß von einer Tonne CO2 pro Jahr. Die EU vergibt diese Zertifikate, wobei einige derzeit kostenfrei bereitgestellt werden. 

Die Trilog-Einigung hat vor, bis 2030 die Anzahl der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandelssystem (ETS-1) um 62 Prozent im Vergleich zu 2005 zu senken. Die Regeln für kostenlose Zuteilungen werden überarbeitet, wobei energieeffiziente Unternehmen davon profitieren, und weniger effiziente Kürzungen riskieren, wenn sie langfristig nicht nachhaltiger werden. Die kostenlose Verteilung von Luftfahrt- und Industriezertifikaten wird langsam beendet. Ab 2024 wird auch der Handel mit Schiffen in den Emissionshandel integriert. Fast die Hälfte der Treibhausgasemissionen in Europa wird dadurch erfasst.

Unternehmen können die Zertifikate untereinander handeln. Die Gesamtmenge der verfügbaren Zertifikate nimmt jährlich ab, was zu steigenden Preisen führt. Dies wiederum motiviert Unternehmen, in klimafreundliche Maßnahmen zu investieren.

A. Das „Fit for 55“-Maßnahmenpaket

Das "Fit for 55"-Maßnahmenpaket der Europäischen Union hat das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030, um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Es umfasst verschiedene Maßnahmen, darunter:

  • Emissionshandelserweiterung: Das Emissionshandelssystem wird auf Sektoren wie Transport und Gebäude ausgeweitet, um mehr Emissionen zu erfassen.
    Künftig sollen so 85% aller CO2-Emissionen in der EU durch Zertifikate reguliert/gedeckelt werden. 
  • Höhere Klimaziele: Das Paket strebt eine Erhöhung des Emissionsreduktionsziels auf insgesamt 55 Prozent bis 2030 an.
  • Erneuerbare Energien: Verbindliche Ziele zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Energiemix.
  • Energieeffizienz: Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden und Verkehr.
  • Elektromobilität: Förderung von Elektrofahrzeugen und Ausbau der Ladeinfrastruktur.
  • Verkehrssektor: Emissionshandel für den Verkehr, saubere Kraftstoffe, strengere CO2-Grenzwerte.
  • Grenzausgleichsmechanismus: Einführung von Mechanismen für importierte Waren, um gleiche Emissionsstandards wie EU-Produkte zu gewährleisten.
  • Kreislaufwirtschaft: Förderung der Kreislaufwirtschaft und Abfallreduzierung.
  • CO2-Bepreisung: Anhebung der CO2-Bepreisung, um Emissionsreduktionen zu fördern.

Insgesamt zielt das "Fit for 55"-Paket darauf ab, die EU-Klimaziele zu erreichen und die Transformation hin zu einer nachhaltigeren und klimafreundlicheren Wirtschaft zu beschleunigen.

B. Vergabe von CO2 Zertifikaten

CO2-Zertifikate werden an Unternehmen in der Europäischen Union vergeben, die in den Sektoren Strom- und Wärmeerzeugung aus fossilen Brennstoffen tätig sind und eine Mindestleistung von 20 Megawatt (MW) aufweisen. Des Weiteren werden CO2-Zertifikate an Unternehmen aus der Industrie sowie dem Mittelstand vergeben, welche energieintensive Anlagen betreiben (bspw. Stahl- und Zementwerke, Raffinerien, etc.). Diese Unternehmen stoßen massiv CO2 aus, um Energie zu erzeugen oder unterschiedliche Produkte herzustellen. Die Zertifikate dienen als "Erlaubnis", um diese Emissionen ausstoßen zu dürfen. Einige Zertifikate werden kostenfrei zugeteilt, während andere durch Auktionen an dem European Energy Exchange (EEX) in Leipzig erworben werden müssen. Diese Auktionen kann man mit dem Handel von Wertpapieren vergleichen. Neben der Auktion an der EEX in Leipzig können Unternehmen Zertifikate ebenfalls im laufenden Börsenhandel erwerben oder veräußern. Darüber hinaus gibt es diverse Handelshäuser, welche einen außerbörslichen Emissionshandel ermöglich. Um die Veräußerung bzw. die Erwerbe zu verbuchen, unterhalten alle Teilnehmer des Handels ein Konto im Unionsregister, welches von der Europäischen Kommission geführt wird. 

Dieses System des Handels wird als „Cap and Trade“ bezeichnet – „Cap“ bedeutet in diesem Falle die Begrenzung der ausgegebenen Zertifikate und „Trade“ beschreibt dessen Handel.

C. Handelsregulierungen

Das Emissionshandelssystem enthält Mechanismen zur Regulierung des Handelsvolumens, um Preisvolatilität zu verhindern resp. einzugrenzen. Wenn es ein Überangebot an CO2-Zertifikaten gibt und die Gesamtmenge im Markt 800 Millionen Zertifikate überschreitet, greift die Europäische Union ein. Sie zieht einen Teil der überschüssigen Zertifikate aus dem Handel heraus und überführt sie in die sogenannte Marktstabilitätsreserve (MSR). Im umgekehrten Fall, wenn es ein Unterangebot an Zertifikaten gibt und die Menge unter 400 Millionen Zertifikate fällt, gibt die EU zusätzliche Zertifikate aus der MSR in den Handel, um die Verfügbarkeit zu erhöhen. Diese Maßnahmen sollen den Preis ein einem akzeptablen Bereich halten und extreme Preisschwankungen verhindern.

D. Preisentwicklung

Der Preis für CO2-Zertifikate unterlag im Laufe der Zeit Preisschwankungen. In den Anfangsjahren lag der Preis oft unter 20 Euro pro Tonne CO2. Seit 2020 ist der Preis jedoch stark angestiegen. Anfang 2022 näherte er sich der Marke von 100 Euro pro Tonne. Die Preisentwicklung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Klimaschutz, die wirtschaftliche Lage, politische Rahmenbedingungen wie die Förderung erneuerbarer Energien und Spekulation. Diese Preisschwankungen spiegeln die Dynamik des Marktes und die Bemühungen der Unternehmen wider, ihre Emissionsreduktionen zu optimieren.

E. Jährliche Verknappung von ca. 2,2%

Die Menge der verfügbaren CO2-Zertifikate wird jährlich durch die EU reduziert. Die Europäische Union verfolgt eine Politik der jährlichen Verknappung um ungefähr 2,2 Prozent. Das bedeutet, dass jedes Jahr weniger Zertifikate zur Verfügung stehen, was zu einem knapperen Angebot führt. Diese Verknappung soll dazu beitragen, dass Unternehmen Anreize haben, ihre Emissionen zu reduzieren und in klimafreundliche Maßnahmen zu investieren. Die stetige Verknappung der verfügbaren neu ausgegebenen Zertifikate wird im Umkehrschluss auch zu einer Preissteigerung führen und so die Emissionsreduktion und die Investition in nachhaltige Technologien fördern.

2027 soll die Menge der Emissionsrechte um 5,1% und ab 2028 sogar um 5,38% zurückgehen.

Ziele des Emissionshandels

Der Emissionshandel verfolgt mehrere Ziele:

  • CO2-intensiven Unternehmen wird eine zusätzliche Belastung auferlegt, um Anreize zur Emissionsreduktion zu schaffen. Dies zwingt Unternehmen dazu, ihre Emissionsreduktionsstrategien zu überdenken und klimafreundlichere Technologien zu implementieren.
  • Investitionsanreize für klimafreundliche Anlagen werden gefördert. Unternehmen, die Emissionen unter ihrem Zertifikate-Kontingent halten, können überschüssige Zertifikate verkaufen und so zusätzliche Einnahmen generieren. Diese Einnahmen können sie wiederum in umweltfreundliche Technologien und Projekte investieren. Durch die stetige Verknappung der Zertifikate wird deren Preis an den Börsen dementsprechend stets steigen. Dies führt insbesondere für klimafreundliche/-neutrale Unternehmen zu langfristigen und stetig steigenden Mehreinnahmen. Diese Mehreinnahmen können zu einer schnelleren Amortisation der Investitionsobjekte führen, was sich für Unternehmen durchaus lohnen kann.

Aktueller Status Quo und erwartete Entwicklungen

Der Emissionshandel umfasst Unternehmen in der EU, die Strom oder Wärme aus fossilen Brennstoffen erzeugen, sowie Unternehmen aus der Industrie, welche energieintensive Anlagen betreiben. Diese Unternehmen müssen über eine Mindestleistung verfügen, um teilnehmen zu können. Die CO2-Zertifikate werden über Auktionen und teilweise kostenlos verteilt. Der Preis für CO2-Zertifikate hat sich in den letzten Jahren erhöht und wird voraussichtlich weiter steigen, da die verfügbare Menge jährlich abnimmt.

 

Statista EU Emissionshandel

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1304069/umfrage/preisentwicklung-von-co2-emissionsrechten-in-eu/

Fazit

Der Emissionshandel ist ein wirksames Instrument zur Reduktion von CO2-Emissionen in der EU. Durch den Handel mit CO2-Zertifikaten werden Anreize für Unternehmen geschaffen, in klimafreundliche Maßnahmen und Technologien zu investieren, was zur Erreichung der gesamten Klimaziele beiträgt. Der Markt für CO2-Zertifikate entwickelt sich stetig weiter, wobei Preise und (Handels-)Regulierungen eine entscheidende Rolle spielen. Die EU setzt auf eine stetige Verknappung der verfügbaren Zertifikate in Höhe von 2,2 Prozent pro Jahr, um so langfristig höhere Preise und somit verstärkte Investitionen in den Klimaschutz zu erreichen.

Gemäß einer Studie der LBBW aus dem Jahre 2022 werden die meisten Investitionen in den nächsten 5 Jahren geplant und umgesetzt. Dabei handelt es sich primär um die Umstellung auf erneuerbare Energien, die energetische Sanierung von Gebäuden und die eigene CO2-freie Stromerzeugung. Darüber hinaus werden auch die Fuhrparks auf hybride und elektrische Fahrzeuge umgestellt.

Autor:in: Doreen Wangard und Mario Schmidt
Doreen Wangard ist als Senior Beraterin bei der BBHT Beratungsgesellschaft tätig. Ihre langjährigen Erfahrungen in der Finanzwirtschaft, insbesondere in den Themen Bankenfusionenen, Zahlungsverkehr, Regulatorik und Controlling bringt sie als Projekt- und Testmanagerin seit April 2022 in die Projekte unserer Kunden ein. Mario Schmidt ist als Junior Berater bei der BBHT Beratungsgesellschaft tätig. Seine Kenntnisse in der Finanzbranche und analytischen Fähigkeiten bringt er seit 2023 in die Projekte unserer Kunden ein.

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