Im Rahmen unserer neuen Blogreihe haben wir uns zum Ziel gesetzt, aktuelle Entwicklungen auf dem Markt ganzheitlich zu betrachten. Starten möchten wir mit dem spannenden Thema „bargeldlose Gesellschaft“.

Gerade Bargeld spielt in Deutschland seit jeher eine wichtige Rolle. Umso interessanter ist die Frage, ob sich Deutschland im Rahmen der fortlaufenden Digitalisierung vom Bargeld verabschieden wird? 

BCBS239Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich zunächst einen Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre zu werfen. Die unten dargestellte Graphik der Bundesbank zeigt den Euro-Bargeldumlauf über den Zeitraum von 2002 bis 2017. Hier ist ein eindeutiger positiver Trend zu erkennen, der verdeutlicht, dass im Laufe des letzten Jahrzehnts immer mehr Bargeld auf den Markt gebracht wurde. Dieser Trend gilt sowohl für Deutschland als auch auf der Ebene des Eurosystems. Wirft man einen Blick auf das gesamte Eurosystem, so fungiert die Bundesbank mit Abstand als der größte Bargeldemittent. Ein Erklärungsansatz für diese Entwicklung ist, dass Bargeld nicht nur im Alltags- und Wirtschaftsleben eine weiterhin bedeutende Rolle spielt, sondern auch gerade im Niedrigzinsumfeld verstärkt als stabiles Wertaufbewahrungsmittel geschätzt wird.


Quelle: Deutsche Bundesbank

Es ist festzustellen, dass Bargeld fortlaufend in den Umlauf gebracht wird. Neben dieser Feststellung stellt sich nun die Frage, inwiefern sich das Zahlungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in Bezug auf Bargeld geändert hat. Die Deutsche Bundesbank führt hierzu in einem regelmäßigen Turnus von drei Jahren eine repräsentative Umfrage zum Zahlungsverhalten der Konsumenten durch. Der unten aufgezeigte Auszug aus dieser Umfrage verdeutlicht die Bedeutung von Bargeld in Deutschland.

Sowohl nach Umsatz als auch nach Zahlungsvorgängen ist Bargeld bei den Konsumenten das beliebteste Zahlungsmittel. Über das letzte Jahrzehnt hinweg ist zwar ein langsamer, kontinuierlicher Rückgang der Verwendung festzustellen, jedoch ist hierbei nicht abzusehen, dass das Bargeld vollumfänglich von bargeldlosen Zahlungsmitteln abgelöst wird. Die Nutzung der Girocard dominiert dabei weiterhin im bargeldlosen Bereich. 

Im Jahr 2018 sind mit Apple und Google zwei etablierte Unternehmen mithilfe von technologischen Innovationen in das bargeldlose Marktsegment eingetreten. Die beiden Unternehmen verwenden dabei E-Wallets, die als elektronische Geldbörse dienen. Durch das Hinterlegen eines Referenzkontos kann der Benutzer sowohl online als auch im stationären Handel mit dem Smartphone oder der Smartwatch kontaktlos bezahlen. Apple Pay und Google Pay werden seit der Einführung immer beliebter und verzeichnen weitere steigende Nutzungszahlen. Inwiefern und in welchem Ausmaß dieses kontaktlose Bezahlverfahren sich langfristig auf dem deutschen Markt etablieren wird, bleibt jedoch abzuwarten.

Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob digitale Zahlverfahren Bargeld ersetzen werden? Die aktuellen Entwicklungen auf dem deutschen Markt deuten darauf hin, dass diese neuen Methoden Bargeld nicht abschaffen, sondern ergänzen werden. Die gegenwärtige Innovationswelle im Zahlungsverkehr ist dabei nicht als Angriff auf das Bargeld zu verstehen. Vielmehr sollen in einer digitalen Welt weitere Möglichkeiten geschaffen werden, sowohl offline als auch online effizient und schnell zahlen zu können. 

Den möglichen Effizienzvorteilen, die digitale Bezahlverfahren mit sich bringen, stehen jedoch auch immer subjektive Erfahrungen und Vorlieben gegenüber. Die gewährleistete Anonymität beim Bezahlen mit Bargeld spielt für viele Menschen weiterhin eine wichtige Rolle. Denn bei einer digitalen Bezahlung können die Einkäufe und somit das Kaufverhalten sehr detailliert nachverfolgt und analysiert werden. Dieser Umstand wird besonders in einigen Situationen von den Konsumenten nicht gewünscht. Grundsätzlich passen sich die Verhaltensmuster beim Bezahlen bei Konsumenten eher langsam an.  

Quelle: Deutsche Bundesbank

Damit der Anpassungsprozess im digitalen Bereich weiter vorangehen kann, ist es essentiell, dass die Konsumenten den neuen Diensten ein entsprechendes Vertrauen entgegenbringen. In Bezug auf die unterschiedlichen Bezahlverfahren spielt Vertrauen nämlich stets eine führende Rolle, um eine notwendige Akzeptanz zu schaffen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Durchsetzbarkeit von negativen Zinsen. Durch die Abwesenheit von Bargeld wird es möglich, negative Zinsen über alle Akteure hinweg zu etablieren. Die Flucht zum Bargeld bestünde in diesem Fall nicht mehr, sodass vor allem auch private Haushalte keine Möglichkeit mehr hätten dem entgegenzuwirken. Für die Staaten spielt besonders ein Grund eine wichtige Rolle, weshalb die Abschaffung von Bargeld positiv betrachtet werden kann. Die Eindämmung von Korruption und Schwarzarbeit ist nämlich eine Konsequenz, die sich aus der Nachvollziehbarkeit von Zahlungen bei digitalen Bezahlverfahren ergibt. Der Schaden, der durch diese zwei Faktoren einer Wirtschaft zugefügt wird, kann zu einem großen Teil durch eine bargeldlose Gesellschaft unterbunden werden.

Auch wenn die Kosten der Bargeldinfrastruktur immer mehr an Bedeutung gewinnen, wird Bargeld auf absehbare Zeit weiterhin neben den digitalen Bezahlverfahren bestehen bleiben. Schlussendlich ist Bargeld auch in Krisenzeiten ein wichtiges Medium, welches ausfallsicher ist.

Bargeldloses Zahlen in Schweden

In einem nächsten Schritt gilt es darzulegen, inwiefern die europäischen Nachbarn mit dem Thema „bargeldlose Gesellschaft“ umgehen. Hier lohnt es sich einen Blick auf Schweden zu werfen. Schweden hat sich im letzten Jahrzehnt immer mehr hin zu einer bargeldlosen Gesellschaft entwickelt. Nahezu überall sind digitale Zahlungen möglich. Selbst Kleinstbeträge auf Märkten oder für Zeitschriften werden mithilfe mobiler Kartenlesegeräte abgerechnet. Unterschiedliche Experten gehen davon aus, dass in Schweden bereits im Jahr 2023 Bargeld keine Rolle mehr spielen wird. In den letzten zehn Jahren ist der Bargeldumlauf in Schweden um fast 40 Prozent zurückgegangen. Wesentlicher Faktor für die weite Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Schweden ist im Besonderen die Gesetzgebung. Das Vertragsrecht steht nämlich über dem Banken- und Zahlungsrecht, sodass im Einzelhandel Zahlungen mit Bargeld abgelehnt werden können. Durch die Einführung der mobilen Zahlungs-App Swish durch sechs große schwedische Banken in Zusammenarbeit mit der schwedischen Zentralbank im Jahr 2012 wurde dieser Trend zum bargeldlosen Bezahlen weiter verstärkt.

Die unten dargestellte Graphik zeigt auf, dass im Jahr 2018 lediglich 6% der Bezahlvorgänge in Schweden mit Bargeld getätigt wurden. Dies steht in einem deutlichen Kontrast zu Deutschland, da hier im Jahr 2017 knapp 75% der Bezahlvorgänge mit Bargeld abgeschlossen wurden. In Schweden nimmt vor allem die Kartenzahlung mit 58% einen wichtigen Platz ein. Die Graphik untermauert die Annahme vieler Experten, dass das Bargeld in Schweden in naher Zukunft nur noch eine Randerscheinung sein wird.

Nutzung der verschiedenen Zahlungsinstrumente in Schweden

 Quelle: Schwedische Reichsbank

Die unterschiedlichen Entwicklungen in Deutschland und Schweden sind jedoch auch den verschiedenen Kulturen zuzuordnen. In Deutschland spielt Bargeld als ein Anonymisierungsmittel eine zentrale Rolle. Die Privatsphäre in finanziellen Angelegenheiten hat in Deutschland eine enorme Bedeutung. Die Skandinavier haben hingegen keine großen Probleme, ihre Daten preiszugeben. In den skandinavischen Ländern besteht ein großes Vertrauen Richtung Staat und Banken. Aktuell prüft die schwedische Reichsbank zum Beispiel die Einführung einer staatseigenen digitalen Währung, nämlich der E-Krona.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Digitalisierungswelle im Zahlungsverkehr sich unterschiedlich stark im europäischen Vergleich ausbreitet. Vor allem die skandinavischen Länder bewegen sich mit einem sehr hohem Tempo Richtung bargeldlose Wirtschaft zu. Inwiefern Deutschland in den nächsten Jahren diese Entwicklung mitgehen wird, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt mehr als fraglich. Ein zentraler Punkt gilt jedoch auch für Deutschland: Die Digitalisierung ändert unsere Beziehung zum Geld und schafft neue Möglichkeiten im alltäglichen Leben.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Optimierung und Digitalisierung Ihrer Geschäftsprozesse. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

Ersay Öztürk
Autor:in: Ersay Öztürk
Ersay Öztürk ist als Business Analyst und Projektleiter bei der BBHT Beratungsgesellschaft tätig. Seine fundierten Kenntnisse in der Finanzbranche bringt er seit 2017 in die Projekte unserer Kunden ein.

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