Daten und Kommunikationswege stehen in der heutigen Zeit oftmals orts- und zeitunabhängig zur Verfügung und können durch mobile Endgeräte jederzeit abgefragt, bearbeitet, veröffentlicht und genutzt werden. Sowohl die stetige Informationsverfügbarkeit als auch die digitalen Kommunikationswege beeinflussen nicht nur die Lebens- und Arbeitsweisen, sondern verändern auch die Bedürfnisse von Privatpersonen und Unternehmen.

Dabei scheint es nicht verwunderlich, dass sich die Kommunikationswege insbesondere von jungen Kunden mit den Banken stark verändert haben. So besitzen heute mehr als 50% der Deutschen zwischen 18 und 69 Jahren ein Konto bei einer Direktbank, während das Filialnetz der klassischen Universalbanken seit dem Jahre 2000 um mehr als 27% abnahm (KFW, Stand 2019). Hieraus lässt sich interpretieren, dass insbesondere für die jungen Kunden die traditionellen Kommunikationswege, z. B. über den persönlichen Kontakt in Bankfilialen, zunehmend uninteressanter werden und dem neuen Kundenbedürfnis des direkteren und zeiteffizienteren Kommunikationsweges nicht gerecht werden. Dass dieses auf die veränderten Kundenbedürfnisse angepasste Geschäftsmodell funktioniert, zeigt die ING-DiBa, welche mit ca. 9,5 Mio. Kunden hinter den Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken auf Platz 3 aufgestiegen ist.

Doch welchen Herausforderungen sehen sich Universalbanken konfrontiert und was für Ideen und aktuelle Lösungen existieren, um die Zukunft von Universalbanken zu gestalten?

 

Die Herausforderungen der Branche

  1. Kostendruck

Einer der offensichtlichsten Herausforderungen der Branche liegt in dem Kostendruck, welcher bei Universalbanken wie den Sparkassen und den Genossenschaftsbanken insbesondere durch das zwar stetig abbauende, jedoch weiterhin sehr präsente Filialnetz entsteht. Dies liegt im Wesentlichen darin, dass die klassische Bankfiliale als „Cost Center“ oftmals keine Überschüsse mehr erzielen kann und der dadurch entstehende Fehlbetrag als „Overhead“ Kosten durch andere, noch rentable Bereiche erwirtschaftet werden muss. So stufen im Rahmen einer Studie von Horváth & Partners aus dem Jahre 2016 mehr als 40% der Branchenexperten das Privatkundengeschäft im Jahre 2020 als „unprofitabel“ ein. Eben dieses Privatkundengeschäft stellt für Universalbanken jedoch eine der tragenden Säulen des Geschäftsmodells dar. Zugespitzt wird dieser Kostendruck durch die historische Niedrigzinsphase und die zugenommene Transparenz von Kredit- und Guthabenzinsen im Bankenumfeld.

  1. Fragmentierung der IT-Systeme

Die kontinuierliche Modernisierung der IT-Infrastruktur ist aufgrund des schnellen technologischen Wandels mit einer stetigen moderaten Kostenposition verbunden. Aufgrund des Geschäftsmodells der Universalbanken wurden finanzielle Ressourcen jedoch oftmals in den Bestand und den Ausbau des Filialnetzes investiert anstatt auf eben diese technologischen Weiterentwicklungen. Direktbanken mit ihrem Fokus auf ortsunabhängige, digitale Dienstleistungen hingegen, sahen sich dieser Entscheidung seltener und mit einer geringeren Tragweite konfrontiert.

Digitale Trends wurden auch von den Universalbanken erkannt, jedoch legt die komplexe IT-Landschaft ihnen Fesseln an, was eine schnelle Nachahmung verhindert. So verhindert oftmals das Fehlen eines vollintegrierten Data Warehouse und den darauf aufbauenden Analysemethoden bereits im Keim die Nutzung bestehender Kundendaten zur Vertriebsoptimierung. Auch der konsequente Rückbau des Filialnetzes benötigt in erster Linie Ressourcen, welche für den Ausbau der IT-Systeme fehlt. Erst in zweiter Linie können dadurch Fixkosten eingespart werden, welche zur langfristigen Profitabilität benötigt werden.

  1. Regulatorische Anforderungen

Verschärft wird die fragmentierte IT-Landschaft durch stetige regulatorische Neuanforderungen an Kreditinstitute in der Hoffnung, eine potentielle Finanzkrise dieses Mal vorzeitig erkennen und verhindern zu können. Von AnaCredit über FINREP bis hin zu aktuellen Covid-19-Meldebögen erfordern diese Anforderungen von Kreditinstituten nicht nur die Bereitstellung von diversen Datensätzen, sondern in diesem Zuge auch die digitale Bereitstellung in zyklischen Abständen. Fehlende Funktionalitäten bestehender IT-Systeme werden aufgrund von Zeit- und Kostendruck durch manuelle Bereitstellung durch Mitarbeiter ersetzt und führen zu einer spiralähnlichen Abhängigkeit, sobald die nächste Anforderung umgesetzt werden muss. 

  1. Agile Unternehmenskultur und Geschäftsmodell

So scheint es fast, als wenn die klassischen Universalbanken im Schatten der anstehenden Entscheidungen im Spannungsfeld zwischen Kostendruck und regulatorischer Anforderungen stehen - von den Auswirkungen der COVID-19 Pandemie ganz zu schweigen. Mit ihrem Fokus auf “kleine Sparer” fokussieren sich Fintech-Unternehmen hingegen auf das für Universalbanken unprofitable Massengeschäft, während sich Privat- und Großbanken wie beispielsweise die Deutsche Bank in profitable Nischen flüchten und sogar die vollständige Aufgabe des Privatkundengeschäfts oder die Abspaltung in ein Tochterunternehmen diskutiert wurde.

Den vielen europäischen Regionalbanken, besonders den Genossenschaften und Sparkassen, ist dieser Weg jedoch verbaut. Damit droht eine entscheidende Säule des Bankensystems mit ihrer Offline-Filialstruktur zwischen agilen Digitalanbietern und spezialisierten Premium-Banken zu zerbröckeln.

 

Die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells „Universalbank“:

Schon im Jahre 2003 prognostizierte eine Handelsblatt Studie: Universalbanken haben keine Zukunft. Doch, stimmt das?

Der erste und zugleich offensichtlichste Punkt scheint der Abbau des kostenintensiven und altmodisch scheinenden Filialnetzes. Dies ist jedoch keine innovative Strategie, sondern beobachtbare Realität. So wurden in den vergangenen 10 Jahren ca. 12.000 Filialen geschlossen und laut einer Analyse der Strategieberatung Oliver Wyman werden bis 2025 noch weitere 10.000 Filialen folgen. Doch gibt es keine Alternativen als zur bloßen Aufgabe des über Jahrzehnte aufgebauten Filialnetzes?

Wie die Hamburger Sparkasse in einem 30 Millionen Euro teuren Projekt vor rund drei Jahren zeigte, gibt es Alternativen. So wurde die erste „Nachbarschaftsfiliale“ in Hamburg-Niendorf gegründet, dessen Räume durch lokale Künstler gestaltet wurden, eine Kaffeebar zum Verweilen und Vernetzen einlädt und zeitgemäßes, freies WLAN zur Verfügung gestellt wird. Bankgeschäfte werden an iPads erledigt und die Abwicklung von Bargeld – oder papierhaften Zahlungsverkehr rückt zunehmend in den Hintergrund.

In Russland setzt die dort ansässige Sberbank sogar auf eine Kooperation mit McDonalds und plant gemeinsame Filialen und weitere Servicekonzepte für ihre Kunden. In Frankfurt werden sogar aus Konkurrenten neue Kooperationspartner. So intensiviert die Frankfurter Volksbank die Kooperation mit der Sparkasse und teilt sich zukünftig insgesamt 26 Geschäftsstellen.

Auf der anderen Seite werden Girokonten überdacht, um auf den Druck der 0€-Girokonten seitens der digitalen Direktbanken reagieren zu können, denn: die Kontogebühren stellen insbesondere in der Niedrigzinsphase ein wichtiges Mittel zur Deckung der laufenden Kosten einer Universalbank dar. Diese „neuen“ Girokonten vereinen die klassischen Finanzdienstleistungen mit Mehrwertprogrammen verschiedenster Art. So können z.B. Rabatte bei lokalen Händlern oder Restaurants ebenso Bestandteil sein, wie eine Reiserücktrittversicherung oder Discount-Modelle, welche je nach genutzten Service oder abgeschlossen Finanzprodukten Rabatte auf den Kontoführungspreis ermöglichen.

Doch reichen diese Beispiele aus, um Universalbanken vor dem Aussterben zu bewahren?

 

„Human centered business model“ – Das Geschäftsmodell der Zukunft

Die kurze Antwort ist: „Nein!“

Bereits abseits der Banken- und Finanzdienstleistungswelt streben viele innovative Unternehmen danach, den Kunden und seine Bedürfnisse als zentralsten Faktor für unternehmensbezogene Entscheidungen zu betrachten. Der Mehrwert für den Kunden als Messinstrument für den eigenen Erfolg. Während bei klassischen Universalbanken die Geschäftsmodelle oftmals antiquiert wirken, verlagert sich das Privatkundengeschäft immer schneller in die digitale Welt. Die Corona-Pandemie diente hierfür zusätzlich als Inkubator und beschleunigte diese Entwicklung zunehmend. Die Bemühungen, den Kunden mit technologiebasierten Lösungen zu versorgen und sich mit den so geschaffenen Produkten im Idealfall noch von der Konkurrenz abgrenzen zu können, sorgt jedoch vermehrt für eine verzerrte Wahrnehmung, da genau diesen digitalen Produkten und Services oftmals zu viel Bedeutung zugeschrieben wird.

Denn: das größte Kapital der Universalbanken wird in diesem Konzept nicht oder viel zu wenig beachtet. Die persönliche Beziehung zum Kunden. Denn erst diese persönliche Beziehung ermöglicht es, den Kunden und seine Bedürfnisse verstehen und ihn durch das somit aufgebaute Vertrauen als Lotsen durch die komplexen Finanzprodukte führen zu können. Und in eben diesem Punkt besteht der riesige – wenn auch zum Teil noch nicht ausreichend genutzte – Vorteil der Universalbanken gegenüber ihren Konkurrenten.

Die R/GA-Studie „The Future of Banking is Human” bringt diesen Vorteil mit dem folgenden Stichwort auf den Punkt: Finanzielle Harmonie. Diese beschreibt den Wunsch, alle finanziellen Verpflichtungen erfüllen zu können und gleichzeitig für seine Zukunft vorzusorgen bzw. zu investieren. Dieses Gefühl ist der wahre Kundenwert, welchen Universalbanken mittels bestehender Verbindung mit ihren Kunden in digitale Erlebnisse übersetzen müssen.

Denn die finanzielle Harmonie ist ein höchst individuelles Bedürfnis, welches für jeden Menschen einzigartig ist und einen direkten Bezug zur Lebensqualität besitzt. Dieses zu verstehen und zu interpretieren bedarf eben diesem persönlichen Kundenzugang, welcher exklusiv den Universalbanken über ihr Filialnetz zur Verfügung steht.

Dieser große Vorteil stellt für die Universalbanken auf der einen Seite zwar eine riesige Chance dar, auf der anderen Seite konfrontiert es diese auch mit dem größten Problem. Um das Bedürfnis der finanziellen Harmonie kundenindividuell analysieren zu können, bedarf es entweder einen persönlichen Kontakt in Form eines Beraters, welcher den Kunden sehr gut kennt, oder man greift auf die Daten zu, welche der Universalbank zu Verfügung stehen. Spätestens im Hinblick auf die Skalierbarkeit der Bedienung von Bedürfnissen der breiten Kundenmasse, stellen die Bankberater nicht mehr das Mittel der Wahl dar. Und erneut befindet man sich in der Krux der bestehenden IT-Umgebung und ihrer teils begrenzten Möglichkeiten. 

Nur eine überzeugende Digitalisierungsstrategie als Antwort auf die gegenwärtigen und technologischen Herausforderungen könnte dies für die Universalbanken verhindern.

 

Jendrik Herfurth
Autor:in: Jendrik Herfurth
Jendrik Herfurth ist als Business Analyst bei der BBHT Beratungsgesellschaft tätig. Seine fundierten Kenntnisse in der Finanzbranche bringt er seit 2020 in die Projekte unserer Kunden ein.

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