Am 23.Oktober 2019 verkündete Google den Bau eines Quantencomputers, der eine komplexe Berechnung von Zufallszahlen in 200 Sekunden durchgeführt hat. Zum Vergleich: Der schnellste Supercomputer der Welt würde dafür nach Angaben von Google schätzungsweise 10.000 Jahre benötigen.

Bei diesem ersten Durchbruch handelt es sich um eine sehr spezielle Aufgabe, bei der die Quantenüberlegenheit (Quantum Supremacy) erreicht wurde. Die Quantenüberlegenheit beschreibt den Moment, bei dem ein Quantencomputer einem herkömmlichen Computer erstmals überlegen ist. Quantencomputer sollen Probleme lösen, an denen bislang selbst die leistungsstärksten Supercomputer scheitern. Dafür bedienen sie sich der Theorie der Quantenphysik.

Doch was genau sind Quantencomputer und worin besteht der Unterschied zu herkömmlichen Computern? Klassische Computer arbeiten mit einem binären System. In diesem System werden alle Daten in Bits gespeichert. Bits können die Zustände 0 oder 1 annehmen. Quantencomputer hingegen arbeiten mit sogenannten Quantenbits (Qubits, Schreibweise: |q >). Diese können nicht nur die Zustände 0 oder 1 (Schreibweise: |0 > bzw. |1 >) annehmen, sondern auch beide Zustände gleichzeitig. Dieser Zustand wird Superposition genannt. Dabei nimmt ein Qubit |q > immer eine Kombination der beiden Zustände |0 > und |1 > an. |q > = a * |0 > + b * |1 > , wobei a und b reelle oder komplexe Zahlen sind mit |a|2 + |b|2 = 1 . Anschaulich kann man sich dies am Beispiel einer Münze vorstellen. Nach einem Münzwurf zeigt die Münze das Ergebnis Kopf oder Zahl an, was den Zuständen 0 oder 1 bei einem Bit entspricht. Einen Qubit hingegen kann man sich als Münze vorstellen, die sich schnell um die eigene Achse dreht. Man kann nicht genau sagen, ob die Münze Kopf oder Zahl anzeigt. Sie befindet sich gleichzeitig in beiden Zuständen. Ein Quantencomputer mit n Qubits kann 2n Zustände annehmen. Die Anzahl der Zustände wächst hier also im Gegensatz zu Bits nicht linear, sondern exponentiell. Um ein Gefühl für die Relation zu bekommen ein kurzer Vergleich. Ein Quantencomputer mit 20 Qubits kann 220 = 1.048.576 Zustände annehmen. Bei 50 Qubits steigt die Anzahl der Zustände bereits auf 250 = 1.125.899.906.842.624 Zustände. Die Superposition können die Qubits nur so lange halten, bis sie gemessen werden. Zum Zeitpunkt der Messung geht es mit einer Wahrscheinlichkeit von a2 in den Zustand 0 und mit einer Wahrscheinlichkeit von bin den Zustand 1 über. Zurück zu unserem Beispiel mit der Münze kann man sich das folgendermaßen vorstellen. Die Münze dreht sich mit hoher Geschwindigkeit um die eigene Achse. Nun gibt man der Münze einen Impuls, sodass sie umfällt. Nun, zum Zeitpunkt der Messung, kann man dem Qubit einen Wert 0 oder 1 zuordnen. Als Ergebnis erhält man also kein konkretes Ergebnis 0 oder 1, sondern den Wert 0 oder 1, der am wahrscheinlichsten zutrifft. Um die Ergebnisse einzugrenzen, sind also mehrere Durchläufe notwendig.

Für die physikalisch benötigten Voraussetzungen für einen funktionierenden Quantencomputer zu sorgen ist nicht trivial. Grundlage eines jeden Quantencomputers sind die Qubits. Haben die Qubits eine bestimmte Energie, fangen sie an sich zu bewegen. Um sie erzeugen und manipulieren zu können, dürfen sie sich nicht bewegen. Daher müssen die Quantenchips zunächst auf den absoluten Nullpunkt gekühlt werden, also auf -273,15 Grad Celsius. Allein um einen Quantenchip von Zimmertemperatur auf den absoluten Nullpunkt herunterzukühlen bedarf es einiger Tage. Zudem sind Qubits sehr volatil und reagieren sehr empfindlich auf externe Einflüsse wie Erschütterungen und magnetische oder elektrische Felder. Diese Störungen führen dazu, dass der Quantenzustand zerstört wird und Eingaben verloren gehen oder verändert werden. Dies beeinflusst die Genauigkeit der Ergebnisse negativ. Neben den physikalischen Herausforderungen, die die Grundvoraussetzungen für den Quantencomputer schaffen, ist die Entwicklung von entsprechenden Algorithmen sehr komplex. Anders als bei der herkömmlichen Programmierung, bei dem man zu jedem Zeitpunkt des Programms den Zustand der Bits nachvollziehen kann, ist dies bei Quantencomputern nicht möglich. Vor der Messung der Qubits geben sie lediglich eine Wahrscheinlichkeit für einen Zustand an. Nach der Messung hat man nur ein Ergebnis, das aus mehreren Berechnungen resultiert. Veranschaulichen kann man sich dies mit einem Würfelwurf mit einem Würfelbecher. Während der Würfelbecher geschüttelt wird weiß man nicht, was genau die Würfel machen und anzeigen. Zudem interagieren die Würfel miteinander. Erst wenn der Würfelbecher nach dem Wurf angehoben wird, kann man das Ergebnis sehen. Im Gegensatz zu diesem Beispiel soll das Ergebnis bei einem Quantencomputer natürlich nicht rein zufällig sein. Die Kunst liegt darin, einen passenden Algorithmus zu entwickeln, um das gewünscht Ergebnis zu erhalten. Mit einer steigenden Anzahl an Qubits wird die Steuerung der Interaktionen immer komplexer. Diese Interaktionen werden allerdings benötigt, da durch sie erst die parallelen Berechnungen möglich werden. Diese parallelen Berechnungen bieten einen riesigen Vorteil gegenüber den herkömmlichen Computern. Quantencomputer können nicht nur einen Satz von Eingaben und eine Berechnung gleichzeitig durchführen, sondern mehrere Berechnungen mit mehreren Eingaben parallel. Ein Quantencomputer mit n Qubits kann Berechnungen mit bis zu 2n Eingaben gleichzeitig durchführen. Dadurch ergibt sich ein enormer zeitlicher Vorteil. Dieser Performance Vorteil wird jedoch zum Teil dadurch relativiert, dass ein Quantencomputer kein eindeutiges Ergebnis liefert, sondern eine Bandbreite an möglichen Ergebnissen. Um die Anzahl an Ergebnissen einzugrenzen, sind mehrere Wiederholungen der Messungen notwendig.

Anwendungsbereiche von Quantencomputern

Es gibt bereits viele potenzielle Anwendungsbereiche für Quantencomputer. Komplexe Optimierungsprobleme mit vielen Variablen können durch den Einsatz von Quantencomputern schneller und genauer approximiert oder sogar gelöst werden. Davon würden zahlreiche Bereiche profitieren. Im Banking können große Datenmengen in Echtzeit verarbeitet werden, um Kundenbedürfnisse zu ermitteln oder Vorhersagemodelle im Bereich Fraud Detection zu entwickeln. In der Logistik können möglichst effiziente Lieferwege ermittelt werden, um Transportkosten und Lieferzeiten zu minimieren. In der Versicherungsbranche können genauere Risikomodelle entwickelt werden, um die Versicherungsprodukte mit den richtigen Risikoprämien zu bepreisen.

Auch auf die Verschlüsselungstechnik wird die neue Technologie einen großen Einfluss haben. Heutige Verschlüsselungsverfahren bedienen sich hauptsächlich der Primfaktorzerlegung und der Berechnung des diskreten Logarithmus einer ganzen Zahl. Beide Verfahren haben die Gemeinsamkeit, dass eine gegebene Lösung einfach überprüft werden kann (bei der Primfaktorzerlegung durch die Multiplikation der Primzahlen), allerdings die Berechnungen der Lösungen bei sehr großen Zahlen zu aufwendig für klassische Computer sind, da der Aufwand der Berechnung exponentiell steigt. Quantencomputer wären in der Lage, diese Berechnungen deutlich schneller durchzuführen, sodass es einer neuen Verschlüsselungstechnik bedarf.

Schon jetzt werden in der Forschung Moleküle modelliert und ihre Wechselwirkungen simuliert, um beispielsweise Strukturen für neue Wirkstoffe zu optimieren. Mit der Anzahl und Komplexität der Moleküle sind diese Berechnungsverfahren allerdings bei klassischen Computern mit einem zu hohen Rechenaufwand verbunden. Dafür bietet sich die Rechenleistung von Quantencomputern an. Die Modellierung erleichtert und beschleunigt die Entwicklung von neuen Medikamenten und Impfstoffen, da dadurch aufwendige Laborarbeiten erleichtert werden können. Auch die Forschung in der Gentechnik können diese Möglichkeiten merklich beschleunigen.

Da ein Quantencomputer in der Lage ist, große Datenmengen ressourcenschonend zu verarbeiten, kann er auch bei der Suche in Datenbanken eingesetzt werden. Suchanfragen können deutlich effizienter und schneller bearbeitet werden. Zum Vergleich: Eine Suchoperation in einer Datenbank mit 2 Millionen Einträgen benötigt mit einem herkömmlichen Computer 1 Million abfragen, um ein bestimmtes Ergebnis zu finden. Ein Quantencomputer benötigt für die gleiche Suchoperation nur rund 1.400 Abfragen.

Doch werden die Quantencomputer die herkömmlichen Computer in absehbarer Zeit vollständig ersetzen können? Vermutlich nicht. Abgesehen davon, dass sie bisher nur für sehr spezifische Aufgaben geeignet sind, sind die physikalischen Hürden und Voraussetzungen für den privaten Gebrauch zu hoch. Sehr gut vorstellbar ist jedoch eine Kombination aus beiden Computern. Für komplexe Probleme mit vielen Möglichkeiten könnte man einen Quantencomputer dazu nutzen, die Anzahl an möglichen Ergebnissen drastisch zu reduzieren, um dann das exakte Ergebnis mit einem herkömmlichen Computer zu bestimmen. Insbesondere bei Optimierungsproblemen oder Suchalgorithmen ist dies eine sinnvolle Möglichkeit, um die Effizienz signifikant zu steigern.

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Michael Fockel
Autor:in: Michael Fockel
Michael Fockel ist als Business Analyst bei der BBHT Beratungsgesellschaft tätig. Seine Kenntnisse in der Finanzbranche und analytischen Fähigkeiten bringt er seit 2019 in die Projekte unserer Kunden ein.

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