Als Lehre aus der 2007 einsetzenden Finanz- und Wirtschaftskrise wurde der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) von den G20 Staats- und Regierungschefs beauftragt, ein Rahmenwerk zur Stärkung der Finanzstabilität auszuarbeiten.

Kreditrisiko-Standardansatz im Basel III-RahmenwerkDas Regelwerk Basel III beinhaltet die aktuellen Vorschriften zur Bankenregulierung, um Kreditinstitute sicherer gegen zukünftige Finanzkrisen aufzustellen. Nach dem ersten Reformpaket im Dezember 2010 wurde am 7. Dezember 2017 das endgültige Basel III-Reformpaket unter dem Namen „Basel III: Finalising post-crisis reforms“ verabschiedet. Dieses beinhaltet unter anderem eine Überarbeitung der Regelungen zur Berechnung von Kredit- und operationellen Risiken, die die Banken mit Eigenkapital hinterlegen müssen, einer Anpassung der Eigenmitteluntergrenze (Output-Floor) sowie einen Zuschlag bei der Verschuldungsquote für global systemrelevante Banken. Die neuen Regelungen treten zum 01.01.2022 in Kraft. Um die Umsetzung des neuen Output-Floors für die Banken leichter zu gestalten, erfolgt diese stufenweise bis zum 01.01.2027. Ein Hauptbestandteil des Reformpakets ist die Überarbeitung des Kreditrisiko-Standardansatzes (KSA) und der damit einhergehenden Berechnung der Eigenmittelanforderungen.

Der Kreditrisiko-Standardansatz ist ein regulatorisch vorgegebenes Verfahren zur Bestimmung der Mindestkapitalanforderung des Kreditrisikos einer Bank und ist derzeit nur von Nicht-IRBA-Instituten anzuwenden. Banken, deren Berechnungen der Kreditrisiken auf internen Ratings basieren (Internal Ratings-Based Approach, IRBA), müssen in Zukunft aber auch die Anforderungen nach dem KSA ermitteln, da dieser für die Bestimmung der Untergrenze der Eigenkapitalanforderung genutzt werden muss. Mit der Überarbeitung des KSA soll eine höhere Risikosensitivität durch mehr Granularität erreicht werden. Zudem soll die ungeprüfte Übernahme von externen Ratings vermieden, die RWA-Variabilität verringert und eine einheitliche Grundlage für den neuen Output-Floor geschaffen werden.

In Zukunft liegt die Nutzung von externen Ratings für die Bestimmung der Risikogewichte im nationalen Ermessen. Es dürfen nur Bonitätsbeurteilungen von Ratingagenturen verwendet werden, die die nationale Aufsichtsbehörde auf die bereits geltenden Anforderungen der Objektivität, Unabhängigkeit, internationalen Transparenz, Offenlegung, Ressourcen und Glaubwürdigkeit geprüft und anerkannt hat. Mit der Verwendung eines externen Ratings sind die Institute verpflichtet, zum Zeitpunkt der Kreditvergabe eine interne Due-Diligence-Prüfung durchzuführen und anschließend jährlich zu prüfen, ob das externe Rating auch die tatsächliche Kreditwürdigkeit angemessen widerspiegelt. Stellt das Institut fest, dass das aus dem externen Rating resultierende Risikogewicht nicht dem tatsächlichen Risikoprofil entspricht, so muss das Risikogewicht um mindestens eine Stufe erhöht werden. Eine Senkung der Stufe des Risikogewichts aufgrund der Prüfung ist nicht möglich.

Forderungsklassen

(Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Januar 2018, S. 83)

Um die Risikosensitivität zu erhöhen, wird primär auf eine differenziertere Aufteilung der Forderungsklassen gesetzt. Zusätzlich wird bei der Ableitung des Risikogewichtes neben der Art des Schuldners in Zukunft auch nach dem Zweck der Finanzierung differenziert. „Gedeckte Schuldverschreibungen“ werden als neue Forderungsklasse eingeführt. Die dazugehörigen Risikogewichte werden entweder aus dem externen Rating der gedeckten Schuldverschreibung oder aus dem Risikogewicht der emittierenden Bank abgeleitet. In der Forderungsklasse „Unternehmen“ wird die Granularität erhöht. Für Forderungen an kleine und mittelständische Unternehmen mit einem Umsatz unter 50 Mio. € kann in Zukunft ein Risikogewicht von 85 % angesetzt werden. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass Sicherheiten bei der Ermittlung der Mindestkapitalanforderung in der Regel nicht berücksichtigt werden, aber diese Forderungen häufig besichert sind. Zudem werden Spezialfinanzierungen einer eigenen Forderungsklasse zugeordnet. Diese umfassen Kredite, deren Rückzahlung hauptsächlich von Zahlungsströmen aus den finanzierten Objekten oder Projekten abhängen. Die Risikogewichte orientieren sich bei allen Unternehmen weiterhin an externen Ratings. Sofern diese nicht vorhanden sind, wird ein pauschales Risikogewicht von 100% verwendet. Für Länder, die keine externen Ratings zulassen, gibt es ein Verfahren, das alternativ zu dem 100%-Risikogewicht einen Ansatz eines Gewichts von 65% erlaubt. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine sehr gute Bonitätseinschätzung des Schuldners von der Bank und die Tatsache, dass Wertpapiere des Schuldners an einer Börse notiert sind. Eine weitere neue Forderungsklasse ist „Beteiligungen, nachrangige Forderungen“. Forderungen in dieser Klasse haben in der Regel ein höheres Verlustrisiko. Die Risikogewichte werden nach Risikogehalt unterschieden und können auf bis zu 400% ansteigen. Ein Beispiel für besonders risikoreiche Forderungen in dieser Forderungsklasse sind spekulative, nicht börsennotierte Beteiligungspositionen. 

In der Forderungsklasse Mengengeschäft wird in Zukunft zwischen Risikopositionen aus revolvierenden Forderungen und Forderungen mit einem echten Finanzierungszweck unterschieden. Regelmäßige Rückzahlungen einer revolvierenden Kreditinanspruchnahme führen dazu, dass aufsichtsrechtlich von einem niedrigeren Verlustrisiko ausgegangen wird. Kann die Bank diese nachweisen, dann kann das Risikogewicht für diese Forderungen statt mit dem pauschal angesetzten 75% im Mengengeschäft mit 45% angesetzt werden. Die größte Überarbeitung findet sich im Bereich der Immobilienfinanzierung. Entsprechend der bereits bestehenden Vorschriften im IRBA wurden die Anforderungen nun auch im KSA präzisiert. Um Immobilien bei der Berechnung der Mindestkapitalanforderung berücksichtigen zu können, muss die rechtliche Durchsetzbarkeit der Sicherungsabrede, die konservative Bewertung, die Drittverwendungsfähigkeit der Sicherheit und die Schuldenfähigkeit des Kreditnehmers sichergestellt werden. Dabei wird zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien unterschieden. Weiter ist zu prüfen, ob der Kreditnehmer die Immobilie aus dem eigenen Einkommen zurückzahlen kann (klassische Immobilienfinanzierung) oder die Rückzahlung hauptsächlich aus den erwirtschafteten Zahlungsströmen der Immobilie kommt. Letztere weisen ein höheres Ausfallrisiko auf, sodass für diese in Zukunft höhere Eigenkapitalanforderungen gelten. Das Risikogewicht für Kredite, die mit Immobilien besichert sind, hängt neben dem KSA im Wesentlichen von dem Beleihungsauflauf der Finanzierung ab (Loan-to-value Ratio, LTV). Höhere Beleihungsausläufe führen zu höheren Kapitalanforderungen.

Für die Berechnung der Mindestkapitalanforderung können bei der klassischen Immobilienfinanzierung zwei Verfahren angewendet werden. Beim „Whole loan“-Ansatz wird das Risikogewicht anhand von vorgegebenen LTV-Bandbreiten bestimmt. Diese LTV-Bandbreiten stehen in Abhängigkeit zu der Gesamtforderung und dem Beleihungsauslauf. Alternativ kann das unechte Realkreditsplitting verwendet werden. Dabei wird ein Teil der Forderung als mit der Immobilie besichert betrachtet. Das LTV darf dabei nur bei bis zu 55% liegen. Dieser Teil der Forderung erhält ein fixes Risikogewicht von 20% bei einer Besicherung mit Wohnimmobilien und von 60% bei einer Besicherung mit Gewerbeimmobilien. Der übrige Teil der Forderung wird als unbesichert betrachtet und erhält das gleiche Risikogewicht, das der Schuldner für eine andere unbesicherte Forderung erhalten würde. Das Risikogewicht der Gesamtforderung ergibt sich dann als gewichteter Durchschnitt der Risikogewichte.

Vergleich der Risikogewichte

(Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Januar 2018, S. 85)

Zusätzlich wurde eine dritte Kategorie der Immobilienfinanzierung eingeführt. Diese betreffen Kredite an Unternehmen oder Zweckgesellschaften, die zur Finanzierung der Grunderwerbs-, Erschließungs- und Bauphase genutzt werden. Grundsätzlich ist für diese Kredite ein Risikogewicht in Höhe von 150% anzusetzen, da der Fokus auf dem Risiko aus dem Objektwert liegt und das Risikogewicht somit unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers vergeben wird. 

Eine weitere Neuerung ist der Risikozuschlag für Fremdwährungskredite ohne Hedging im aufsichtlichen Mengengeschäft und auf mit Wohnimmobilien besicherten Forderungen. Darunter fallen Kredite, die in einer Währung aufgenommen werden, in der der Kreditnehmer seine Einkünfte nicht erzielt. Dieser Risikoaufschlag deckt das Risiko ab, dass der Kreditnehmer bei einer deutlichen Aufwertung der Währung, in der der Kredit aufgenommen wurde, gegenüber der Währung, in der der Schuldner seine Einkünfte erzielt, seine Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. In Zukunft müssen jederzeit und unbedingt kündbare Kreditzusagen in Höhe von 10% ihres Nominalwertes als Risikoposition angerechnet werden. Abhängig vom Risikogewicht des Kreditnehmers ist dies entsprechend mit Kapital zu unterlegen. Auch die Regeln für die Anerkennung von Sicherheiten wurden punktuell überarbeitet. Die aufsichtlich vorgegebenen Wertabschläge für die Anrechnung finanzieller Sicherheiten wurden an die Marktentwicklung angepasst. Zudem müssen Institute, die den KSA verwenden, die vorgegebenen Abschläge verwenden. Die Nutzung der eigenen Schätzungen ist nicht mehr zulässig. 

Um die RWA-Variabilität bei den Banken zu verringern, wurden die Regelungen für den IRBA überarbeitet. Das IRBA ist ein Verfahren zur Bestimmung der Eigenkapitalanforderung für Kreditrisiken. Bei diesem Verfahren dürfen die Kreditinstitute auf eigene Parameterschätzungen zurückgreifen und diese für die Berechnung verwenden. Hierbei wird zwischen dem Basis-IRBA, bei dem das Institut die Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD) eines Kreditnehmers schätzt, und dem fortgeschrittenen IRBA unterschieden, bei dem zusätzlich die Verlustquoten (Loss Given Default, LGD) und die Kreditkonversionsfaktoren (Credit Conversion Factors, CCF) durch das Institut selbst geschätzt werden. RWA-Variabilität liegt dann vor, wenn verschiedene Kreditinstitute vergleichbare Risiken unterschiedlich bewerten, sodass es zu unterschiedlich hohen Eigenkapitalanforderungen kommt. Aufgrund von beobachteten Problemen bei der Schätzung von Verlustquoten und Kreditkonversionsfaktoren bei Low-default-Portfolios ist die Verwendung des fortgeschrittenen IRBA für die Forderungsklassen Banken und Finanzinstitute in Zukunft nicht mehr erlaubt. In der Forderungsklasse Unternehmen wurde die Verwendung auf Unternehmen mit einem Umsatz unter 500 Mio. € beschränkt. Für die Forderungsklassen Mengengeschäft, Spezialfinanzierungen und Zentralstaaten kann der fortgeschrittene IRBA weiterhin verwendet werden.

Umsetzung des Reformpakets

Eine weitere Maßnahme zur Verringerung der RWA-Variabilität ist eine Mindestgröße bei geschätzten Risikoparametern. Diese werden als Input-Floors bezeichnet. Denn je kleiner eine Schätzgröße ist, desto mehr Beobachtungen benötigt man, um diese Schätzgröße statistisch signifikant validieren zu können. In der Praxis liegen jedoch häufig nur wenige Beobachtungen vor. Somit besteht die Gefahr, die mit dem Geschäft verbundenen Risiken zu unterschätzen. Bei den Ausfallwahrscheinlichkeiten wurde der heute existierende Input-Floor von 3 auf 5 Basispunkte angehoben. Für die Kreditkonversionsfaktoren wird ein Input-Floor in Höhe der Hälfte der entsprechenden Kreditkonversionsfaktoren aus dem KSA verwendet. Bei den Verlustquoten orientieren sich die Input-Floors bei unbesicherten Forderungen nach der Forderungsklasse und bei besicherten Forderungen nach der Art der Besicherung. Zusätzlich zu dem Input-Floor wird auch der Output-Floor angepasst. Der Output-Floor gibt an, inwieweit sich ein mit internen Verfahren berechneter Eigenkapitalbedarf von Instituten von dem durch den KSA berechneten Eigenkapitalbedarf unterscheiden darf. Hier wird ein Output-Floor von 72,5% angesetzt, sodass diese Abweichung nur maximal 27,5% betragen darf. 

Die Umsetzung des Reformpakets stellt die Bankenwelt vor neue Herausforderungen. Für die Verwendung von externen Ratings muss die Due-Diligence-Prüfung entsprechend der neuen Anforderungen umgesetzt werden. Zeigt die Due-Diligence-Prüfung ein höheres Risiko auf als das externe Rating, so ist das Risikogewicht um mindestens eine Stufe zu erhöhen. Die größte Herausforderung liegt jedoch in der Umsetzung des neuen KSA und insbesondere in der komplexen Berechnung der Risikogewichte. In Zukunft sind neue Risikotreiber zu bestimmen, entsprechende Datenfelder einzurichten, Lieferstecken umzustellen und das Reporting anzupassen. Gegebenenfalls sollte auch der Anpassungsbedarf bestehender Kreditvergabeprozesse geprüft und die nachträgliche Erhebung von Daten aus Bestandsgeschäften eingerichtet werden. Insbesondere IRBA-Institute, die in Zukunft neben ihren internen Bewertungsverfahren zusätzlich auch die KSA-Logik implementieren müssen, stehen vor größeren Umsetzungsherausforderungen. Eine sorgfältige Umsetzung des KSA ist besonders wichtig, um unnötig hohe Gesamtkapitalanforderungen zu vermeiden. Denn wenn der neue Output-Floor greift, ergibt sich die Eigenmittelanforderung aus dem KSA. Die Basel III-Auswirkungsstudie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) vom 05.08.2019 lässt darauf schließen, dass es zu einem signifikanten Anstieg der Kapitalanforderungen kommen wird. Da das konkrete Ausmaß jedoch sehr stark von individuellen Faktoren wie dem Geschäftsmodell und der Kundenstruktur abhängt, ist diesbezüglich eine pauschale Aussage nicht möglich. Eine frühzeitige individuelle Analyse ist daher notwendig, um rechtzeitig auf diese Auswirkungen reagieren zu können. Dies bietet die Möglichkeit, zusätzlich benötigtes Kapital rechtzeitig beschaffen zu können und einzelne Produkte oder ganze Geschäftsbereiche in Hinblick auf die neuen Anforderungen zu analysieren und anzupassen. 

 

Wir unterstützen Sie gerne bei Ihrer Auswirkungsanalyse und anschließender Umsetzung des neuen Kreditrisiko-Standardansatzes. Wir freuen uns auf Ihren Anruf oder Ihre Mail.

 

Michael Fockel
Autor:in: Michael Fockel
Michael Fockel ist als Business Analyst bei der BBHT Beratungsgesellschaft tätig. Seine Kenntnisse in der Finanzbranche und analytischen Fähigkeiten bringt er seit 2019 in die Projekte unserer Kunden ein.

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Wir möchten Licht in die aktuellen regulatorischen Anforderungen bringen.
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