John Kotters Achtstufenplan für das Change Management zeichnet eine Strategie für ein erfolgreiches Durchsetzen nötiger Veränderungen auf. Diese Strategie allein garantiert aber nicht, dass ein Veränderungsprozess gelingt. In diesem Artikel geht es um die typischen Fehler, die bei der Umsetzung der Change Management Strategie den Erfolg gefährden, und wie Sie diese vermeiden.
Welche Fehler lassen Change Management Prozesse scheitern? Fehlerquellen gefährden den Erfolg von Change Management Prozessen vor allem dort, wo Sie
- Widerstände gegen Veränderungen nicht erwarten und zu spät erkennen,
- Veränderungsprozesse nicht ausreichend nachdrücklich initiieren und leiten,
- Argumente, Visionen und Erfolge auf dem Weg der Veränderung zu wenig kommunizieren.
Zur Vermeidung der erstgenannten Art von Fehlerquellen ist eine erhöhte Aufmerksamkeit und ein "über den Tellerrand hinaus Blicken" erforderlich. Fragen Sie sich zum Beispiel: Wie wirken Ihre Maßnahmen im Rahmen des Change Management auf andere Beteiligte? Ist die von Ihnen wahrgenommene Dringlichkeit der Veränderungen, so wie Sie diese darstellen, auch aus der Sichtweise der anderen überzeugend? Gibt es eventuell Personen, die im Widerstand gegen Ihre Vorstöße in Richtung einer Veränderung eine Chance sehen, die eigene Position zu stärken? Kotter weist hier auf einen Umstand hin, der besonders bei der zweiten Art von Fehlerquellen noch deutlicher wird.
Auch wenn Sie zunächst die Dringlichkeit einer Veränderung erfolgreich kommunizieren, besteht die Gefahr, dass dieses antreibende Gefühl in der alltäglichen Arbeit untergeht. Das erfolgreiche Durchsetzen von Veränderungen erfordert daher, wie Kotter es ausdrückt, zu einem großen Teil Führungspersönlichkeiten und nur zu einem kleinen Teil Manager, deren Stärke in der Verwaltung liegt und nicht in der Motivation, dem Lenken und Leiten von Engagement. Erfolgreiches Change Management besteht nach Kotter aus mindestens zwei Dritteln Leadership und maximal einem Drittel Management. Abhängig von den individuellen Gegebenheiten kann auch ein Verhältnis bis 9:1 notwendig sein.
Der Hinweis auf die Bedeutung des Leaderships darf aber nicht so missverstanden werden, dass Sie die Veränderungen in einem Top-Down-Entwurf durchsetzen sollen. Das ist ein Fehler, der bereits viele Veränderungsprozesse hat scheitern lassen, insbesondere Initiativen ohne ein strategisches Change Management. Die Begründung liefert Kotter in der Diskussion des zweiten Schritts seines Change Management Prozesses.
Die Aufgaben, die im Rahmen eines Change Management Prozesses in einem Unternehmen erfüllt werden müssen, sind viel zu umfangreich, als dass eine einzelne Person dazu in der Lage wäre. Wenn Sie deren Umfang abschätzen wollen, dann schauen Sie sich die acht Punkte Kotters an und überlegen zu jedem von ihnen, welche Arbeiten nötig sind. Sie werden schnell feststellen, dass Sie die nötigen Veränderungen nicht eigenhändig hervorbringen können. Ihre Aufgabe liegt vielmehr darin, die anderen Beteiligten anzuleiten und ihre Aktivitäten in die richtige Richtung zu lenken. Charakteristisch für ein Leadership ist aber auch ein Charisma, das andere motivieren und begeistern kann.
Alternative Modelle für das Change Management
Die acht Punkte Kotters geben eine Schritt-für-Schritt Anleitung für erfolgreiche Change Management Prozesse, die aus logisch aufeinander folgenden Phasen bestehen. Ihre Detailliertheit ist aber für ein erstes Verständnis nicht unbedingt erforderlich und kann es sogar behindern. Um Fehlerquellen beim Change Management zu eliminieren, lohnt sich daher ein Blick auf Change Management Modelle, die weniger komplex strukturiert sind. Change Management in drei Phasen: Unfreeze, Change, Re-Freeze Ein Change Management Modell, das aus nur drei Phasen besteht, stellen Schein und Lewin vor. Dieses Modell ist aber Kotters achtstufigem Ansatz so ähnlich, dass Sie die drei Phasen jeweils einem oder mehreren Schritten aus Kotters Achtstufenplan zuordnen können. Die erste Phase (Unfreeze) ist dabei das Auftauen alter Strukturen. Sie umfasst die Schritte eins bis vier aus Kotters Schema:
- Entwicklung einer Vision für eine bessere Zukunft und einer Strategie für ihre Umsetzung.
- Erzeugen eines Gefühls der Dringlichkeit.
- Bilden eines Teams, das die Veränderungen in Gang bringt und koordiniert.
- Kommunikation der Vision an alle Beteiligten.
Die erste Change Management Phase bildet bei Schein und Lewin die Basis, die (nachhaltige) Veränderungen erst möglich macht. Gewohnte Verhaltensweisen müssen hinterfragt, eingefahrene Prozeduren und Abläufe auf ihre Effizienz untersucht und die Bereitschaft für Veränderungen geschaffen werden, die eine Steigerung der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens zum Ziel haben.
Fehlerquellen sind in dieser Phase vor allem ein Gefühl der Selbstzufriedenheit, nach dem Motto "So schlecht geht es uns doch gar nicht", die Angst vor negativen Folgen von Veränderungen, der Einfluss von Beteiligten, die den Veränderungen kritisch gegenüber stehen und sie boykottieren oder unterminieren, das Zerreden und Auflösen von Motivation und Engagement in Management- und Verwaltungsprozessen sowie Bedingungen für die Umsetzung von Veränderungen, denen Traditionen und in der Vergangenheit bewährte Einstellungen entgegen stehen.
Die zweite, mit "Change" betitelte Phase des Prozesses nach Schein und Lewin umfasst Kotters Schritt fünf bis sieben:
- Ausräumen von Hindernissen, die Veränderungen stören oder verhindern.
- Kurzfristiges erzeugen von Erfolgen und Erfolgserlebnissen, die für weitere Veränderungen motivieren.
- Sich nicht durch den Erfolg der kurzfristigen Ziele blenden lassen, sondern die Veränderungen mit ungebremstem oder sogar verstärktem Einsatz voran treiben.
In der zweiten Phase geht es bei Schein und Lewin also um die Prozesse, mit denen Sie tatsächlich Veränderungen erzeugen. Diese Phase besteht aus den drei Teilen Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung, die in einen weiteren Durchlauf derselben Phase münden sollte, bis das Change Management alle als notwendig erkannten Ziele erreicht hat.
Fehlerquellen, die in der zweiten Phase nach Schein und Lewin den Erfolg des Change Management Prozesses gefährden, sind erstens, dass Sie störende Einflüsse übersehen oder unzureichend beseitigen. Diese können zum Beispiel aus Ängsten resultieren oder daraus, dass einzelne Personen ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt oder sich bei der Aufgabenverteilung benachteiligt sehen. Zweitens, dass Sie die initiale Motivation zu wenig durch ausreichend schnell erreichbare Erfolgserlebnisse stützen, und drittens, dass Sie einen erzielten Erfolg nicht ausnutzen, um weitere Veränderungen anzustoßen.
Die dritte Phase des Change Management Prozesses nach Schein und Lewin, das Re-Freeze, deckt sich dann mit dem letzten Schritt aus dem achtstufigen Plan von Kotter:
- Sichern der Nachhaltigkeit der Veränderungen und Verankerung in der Unternehmenskultur
Die letzte Phase im Change Management Prozess stellt den Übergang von der Veränderung zur neuen Normalität dar. Durch das "wieder Einfrieren" der erreichten Veränderungen beseitigen Sie die Fehlerquelle, dass alte Verhaltensmuster und Traditionen die Erfolge des Change Management Prozesses nach und nach wieder zurücknehmen. Es ist insbesondere ein Fehler, den Erfolg des Change Managements als Sieg zu feiern, ohne dass Sie die neuen Verhaltensweisen und Strukturen ausreichend in der Unternehmenskultur verankert und durch geeignet gewählte Personen gesichert haben, die nicht zurück, sondern nach vorne schauen.
Das 3D-Modell für das Change Management nach Achterbergh und Vriens
Ein weiterer, weniger komplex strukturierter Ansatz für Change Management Prozesse, stammt von Achterbergh und Vriens aus den Niederlanden. Ihr 3D-Modell für einen "episodischen organisatorischen Wandel" teilt die Veränderungen in drei Klassen ein, die soziale, funktionale und infrastrukturelle Dimension, die sich zum Beispiel in einem X-Y-Z-Diagramm graphisch darstellen lassen. Der Begriff "episodisch" bezieht sich darauf, dass Sie die Veränderungen mittels in sich geschlossener Episoden angehen sollten. Fest vorgegebene Start- und Endpunkte, beziehungsweise Ziele, dienen hierbei auch dazu, die jeweils benötigten Ressourcen zuverlässig abschätzen und bereit stellen zu können.
3D Model of episodic organizational change, van Caspel, F. (2011)
Die funktionale Dimension im 3D-Modell beinhaltet die eigentlichen Veränderungsprozesse, das Erkennen der Probleme und der Ursachen, die Veränderungen erforderlich machen, das Analysieren und Entwickeln von Lösungen, deren Realisierung und Auswertung. Diese Bestandteile finden sich in jedem Change Management Modell wieder. Sie müssen von den am Prozess beteiligten Menschen implementiert und am Leben erhalten werden und zwar jeweils von denjenigen, die in den entsprechenden Funktionsbereichen arbeiten und sie verstehen. Hieraus ergibt sich die soziale Dimension des 3D-Modells. Sie umfasst alle Faktoren, die Veränderungsprozesse über den Umgang und das Miteinander der Beteiligten beeinflussen.
Die dritte, infrastrukturelle Dimension des Change Management Prozesses nach Achterbergh und Vriens befasst sich mit den erforderlichen Eigenschaften und Veränderungen der Infrastruktur, die sich aus der funktionalen und der sozialen Dimension ergeben. Sie gibt also keine Ziele vor, sondern schafft die Basis, auf der Sie die in den anderen Dimensionen definierten Ziele realisieren. Hierbei spielen drei Faktoren eine wesentliche Rolle:
- der Aufbau und die Zusammensetzung der Organisationsstruktur,
- Maßnahmen im Bereich HR, die zu Veränderungen motivieren und sie stimulieren
- Technologien für die Kommunikation, Erforschung und Gestaltung von Lösungen.
Achterbergh und Vriens weisen auf besondere Fehlerquellen im Change Management hin, die speziell Veränderungen an der Infrastruktur eines Unternehmens betreffen. Sie entstehen dadurch, dass Mitarbeiter ineffiziente Strukturen - und damit die Notwendigkeit von Veränderungen - selbst erkennen, sie aber nicht beseitigen (können), sondern nur lokal darum herumwerken. Solche Workarounds bilden mitunter selbst Hindernisse für ein Change Management, wenn sie sich in die Unternehmenskultur einschleifen.
Ein weiteres Problem ist hier, dass die mangelnde Fähigkeit eines Unternehmens, seine Infrastruktur zu optimieren, erwarten lässt, dass es den Aufbau der für ein erfolgreiches Change Management nötigen Infrastruktur ebenfalls nicht aus eigener Kraft leisten kann. In einem solchen Fall ist dann eine externe Unterstützung gefordert, die ein professioneller Dienstleister geben kann.
Fazit
John P. Kotter hat mit seinen Werken zum Change Management die Grundlagen für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik geschaffen. Sein Achtstufenplan bildet die Matrix für die Entwicklung konkreter Veränderungsprozesse in Unternehmen, aber auch die Basis für den Entwurf anderer Change Management Modelle. Diese liefern einerseits einfacher strukturierte, leichter verständliche Ansätze, weisen andererseits aber auch auf zusätzliche Fehlerquellen und Risiken bei Change Management Prozessen hin.
Quellen:
Kotter, J. P. (2012). Leading Change. Harvard business review press.
Howard, N. (1995). Organisational fitness: Corporate effectiveness through management cybernetics. Book review.
van Caspel, F. (2011) VSM as a Tool for Organizational Change? - A Critical Examination. Nijmegen School of Management.
Jackson, M. (1989). Evaluating the managerial significance of the vsm. In The Viable System Model: Interpretations and Applications of Stafford Beer’s VSM.